Von der Entdeckung eines bisher unbekannt gewesenen Manuskripts von Thomas Bernhard berichtet die Tageszeitung "Der Standard" in ihrer heutigen Ausgabe.
Demnach handelt es sich um eine Bearbeitung von Thomas Wolfes StĂŒck "Herrenhaus" aus dem Jahr 1967. 68 Seiten davon hat Bernhard eigenhĂ€ndig geschrieben, hieĂ es.
"Leidenschaftlich gelesen"
Bernhard hatte sich von einem Buchbinder weiĂe BlĂ€tter zwischen die gedruckte Rowohlt-Ausgabe des Dramas binden lassen. Er fĂŒllte sie mit einem Vorwort, mit unzĂ€hligen Anweisungen, Korrekturen, Anmerkungen und 25 Skizzen: "Es gibt bessere StĂŒcke, aber wenige, die ich leidenschaftlicher gelesen und gewĂŒrdigt hĂ€tte", schreibt Bernhard.
StĂŒck verlegt
Diese Arbeit ist dem "Standard" zufolge aber nicht bloĂ ein Regiebuch, sondern eine eigenstĂ€ndige Bearbeitung: Bernhard verlegte die Zeit der Handlung des 1922 entstandenen SĂŒdstaatendramas in die Jahre 1952/1953, "die Zeit des Krieges in Korea".
Das Vorspiel aus der Kolonialepoche verlagerte er ins Jahr 1920, den Schluss in die Gegenwart.
Er sei zwar "gegen die 'Verlegung' jedweden StĂŒckes", notiert Bernhard, "jedoch schien es mir nicht nur interessant, hier zu beweisen, daĂ man, wie man sagt 'wirkliche Dichtung' ohne weiteres um 200 Jahre verschieben kann. Das Negerproblem ist heute wiederum zu modern als daĂ ich es in den Fordergrund (sic!) setzen möchte. Das eigentliche 'Problem' des Spiels dauert meiner Ansicht nach ĂŒber etliche Jahrhunderte."
"Wirkliche RaritÀt"
Das Manuskript ist eine wirkliche RaritĂ€t, heiĂt es in dem Bericht. Hat doch Bernhard in der Regel mit der Maschine geschrieben - was in diesem Falle nicht möglich war. Und so bittet der Student im Vorwort, "die scheuĂliche Form" zu entschuldigen, "doch bin ich auĂerstande, zu denken und schön zu schreiben".
Auf 5,8 Mio. S geschÀtzt
Von einem Salzburger BuchhĂ€ndler, der die Aufregungen, die dieser Fund mit sich bringen wird, scheut, erwarben die Antiquariate Wolfgang Friebes (Graz) und Inlibris (Wien) gemeinsam das Regiebuch. Sie bieten es nun zum Verkauf an: Laut einem Gutachten dĂŒrfte der Wert bei 5,8 Millionen Schilling (421.502 Euro) liegen.