Klassische Geldanlage mit Schiller, Goethe oder Wieland

  • ThĂŒringer Allgemeine
  • 22 January 2015
  • Michael Helbing

Originale Handschriften aus Privatbesitz stehen ab Donnerstag auf der Messe "Antiquaria" zum Verkauf. Der Direktor des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar nennt die Preise aberwitzig.

Weimar. Schiller freut sich: "daß dieses gewagte Unternehmen mit dem tragischen Chor auf den drey besten BĂŒhnen Deutschlands so gut gelungen ist." Es geht um "Die Braut von Messina", seinen Zugriff auf die griechische Tragödie. UraufgefĂŒhrt im MĂ€rz 1803 in Weimar, gelangte sie bald auf die BĂŒhnen in Hamburg und Berlin. Nun, im Juli, antwortet Schiller erfreut auf die Nachricht vom "guten Succeß", die Theaterdirektor Jakob Herzfeld aus Hamburg nach Weimar ĂŒbermittelte.

Doch er beklagt sich wenige Zeilen spĂ€ter auch. Denn Herzfeld will das Lustspiel "Der Parasit" wohl nicht auffĂŒhren. Dabei "scheint dieses StĂŒck zu einem theatralischen Effekt sehr geeignet zu seyn", meint der Autor.

Hier erkennt man, interessant genug, im Dichter, Philosophen und Historiker Schiller den gewieften Theaterpraktiker.

Das Schreiben war bislang durchaus nicht unbekannt. Es wurde mehrfach veröffentlicht, wenn auch oft fehlerhaft. Der Autograph aber, Schillers eigenhÀndige Niederschrift, galt mehr als ein Jahrhundert lang als verschollen. Jetzt tauchte das originale Dokument wieder auf.

Es wird auf der "Antiquaria" zum Kauf angeboten, auf jener Antiquariatsmesse, die heute in Ludwigsburg beginnt. Der AutographenhĂ€ndler Hugo Wetscherek aus Wien von der Firma Inlibris hatte es "erworben aus einer deutschen Privatsammlung"; er bietet es mit seinem Kollegen Thomas Kotte aus Roßhaupten fĂŒr 95.000 Euro an.

Bernhard Fischer, Direktor des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar, fĂ€hrt nach Ludwigsburg. Aber nicht deshalb. Fischer gehört zur Jury des Antiquaria-Preises, den er 2004 selbst erhielt, fĂŒr seine Bibliografie zum Verleger Johann Friedrich Cotta. Ein Jahr spĂ€ter gingen die 8000 Euro Preisgeld an Weimars brandgeschĂ€digte Anna-Amalia-Bibliothek. Diesmal wird der Feuilleton-Redakteur Lothar MĂŒller ausgezeichnet.

Ihm gilt Fischers akutes Interesse. Dem Schiller-Brief hingegen begegnet er einigermaßen gelassen. Das liegt vor allem am Preis. Fischer nennt ihn aberwitzig. Normal fĂŒr Schillers dreiseitigen Brief seien 20.000, vielleicht 25.000 Euro.

Kottes Autographs GmbH sei Fachleuten "als absolute Apotheke bekannt". Will sagen: Der HĂ€ndler sprenge den Markt mit ĂŒberteuerten Angeboten. Ähnliches gilt demnach fĂŒr andere Autographen im Kontext des klassischen Weimar, die Wetscherek und Kotte in Ludwigsburg feil bieten. Darunter befindet sich, fĂŒr 35.000 Euro, ein Geschenkblatt Goethes.

Er schrieb und zeichnete es am Morgen seines 79. Geburtstags auf Schlosses Dornburg, fĂŒr wen auch immer. "Guten Morgen / zum 28ten Aug. 1828 / Goethe", steht dort zu lesen. DarĂŒber skizzierte er mit Bleistift seinen Blick aus dem Fenster ĂŒber das Saaletal. Goethe war im Juli gen Dornburg gereist. Er entzog sich so, wie ĂŒblich, einer Bestattung, in diesem Fall jener des Großherzogs Carl August.

FĂŒr einen ebenfalls verschollen geglaubten Brief, den die Malerin Angelika Kauffmann 1792 aus Rom an Christoph Martin Wieland schrieb, wollen Inlibris und Kotte 25.000 Euro haben. Kauffmann sagt darin auf Wielands Bitte hin "mit Freuden" zu, zwei Zeichnungen zum Versepos "Oberon" zu liefern.

Die Preise fĂŒr solche Unikate verteidigt AutographenhĂ€ndler Hugo Wetscherek unserer Zeitung gegenĂŒber als "nicht willkĂŒrlich". Das entspreche der Marktlage. "Kein HĂ€ndler ist doch so blöd, Preise zu verlangen, die er nicht erzielen kann."

Fischers SchĂ€tzung zum Schiller-Brief hĂ€lt Wetscherek fĂŒr veraltet. Im Übrigen kritisiert der Wiener "die Flohmarkt-AttitĂŒde öffentlicher Institutionen". Er rĂ€umt ein, dass Interessenten in Autographen eine Geldanlage sehen. Fischer bezweifelt, dass solche Spekulationen auf steigende Preise sinnvoll sind.

"Wir denken in Jahrzehnten und Jahrhunderten", sagt der Archivdirektor außerdem, "irgendwann landen solche Autographen ganz sicher bei uns." Manchmal bekomme man dergleichen sogar geschenkt.

Aktuell anders reagieren wĂŒrde Bernhard Fischer, ginge es um einen bislang unbekannten Schiller-Brief . Dann wĂŒrde man HĂ€ndler und mögliche KĂ€ufern kontaktieren, auch eine Finanzierung versuchen. So geschah es 2011, als Schillers Autograph zur "Ode an die Freude" in Basel auftauchte, mit einem SchĂ€tzwert von 120.000 Euro. Die Weimarer hatten damals gleichwohl das Nachsehen. Ein anonymer Bieter ersteigerte die Handschrift fĂŒr 400.000 Euro.